Noch bis Oktober läuft das Programm der Euroga 2002 plus, aber der Nutzen dauert länger
Schlösser und Parks, Perlen hier und nebenan
Euroga 2002plus: Mit dem „Plus“ im Namen deuten die Veranstalter an, dass sie das Ziel des Gesamtprojekts, die Menschen der Region mit deren Schönheiten vertraut zu machen, keineswegs zum Jahres- ende 2002 abgehakt haben, sondern als Daueraufgabe ansehen. Die 2. Regionale des Lan- des Nordrhein-Westfalen, so der ergänzende Veranstaltungs- name, läuft mit zahlreichen speziellen Veranstaltungen noch bis weit in den Oktober hinein.
An der grenzüberschreitenden Gartenschau sind die kreisfreien Städte Düsseldorf, Krefeld und Mönchengladbach, die Kreise Mettmann, Neuss und Viersen mit insgesamt 27 kreisangehörigen Kommunen sowie die niederländischen Geeweste Noord- und Midden-Limburg beteiligt. Rund 100 Projekte haben die beteiligten Kommunen mit Gesamtkosten von 130 Millionen Euro umgesetzt. Das Land Nordrhein-Westfalen hat diese Vorhaben mit 90 Millionen Euro bezuschusst.
Das Geld ist gut angelegt. Davon konnte sich am 17. Mai auf einer Tages-Busfahrt zu den interessantesten Ausstellungspunkten der Euroga eine Gruppe der Tischgemeinschaft „De Hechte“ samt Damen überzeugen. Sachkundig geführt wurden sie von ihrem Vize-Tischbaas, dem Landschaftsarchitekten Dipl.-Ing. Alexander Droste.
Die Marienburg in Monheim
Auf dem Programm unter dem Motto „So grün und eindrucks- voll ist unsere Region!“ standen zunächst zwei kaum bekannte Kleinode in Fahrradtour-Nähe: der Marienburgpark in Monheim und der Schlosspark Mickeln in Düsseldorf-Himmelgeist. Der Marienburgpark, zum Rhein hin am Rande des historischen Kerns der Stadt Mon-
heim gelegen, stammt aus der späten Epoche der Landschaft- sparkgestaltung. Um 1880 an- gelegt durch den damaligen Eigentümer des Monheimer Großen Hofes, Eugen von Kessler, spiegelt er das Empfinden des damaligen Großbürgertums, sich eine stilisierte Natur in die eigenen Gärten zu holen. Im Gegensatz zu den englischen Landschaftsgärten, die sich zur Landschaft hin öffnen, bildet diese Anlage durch ihre fast abschottende Baum- und Strauchbepflanzung eine private und intime Atmosphäre. Das Kernstück der Anlage ist die Marienburg, ein aus Backstein errichteter Villenbau, dessen Architektur der Marienburg bei Danzig nachempfunden ist. Der Bau ist Privatbesitz, während der Park Eigentum der Stadt Monheim ist. Zur Dezentralen Landesgartenschau 2002 hat die Stadt nicht nur den Park saniert und öffentlich zugänglich gemacht, sondern auch die Rheinaue vor dem Park für Spaziergänger und Kunstinteressierte mit einbezogen. Entstanden ist eine attraktive Sichtbeziehung vom Park mit Herren- haus zum Rhein und umgekehrt.
Mickelns Park im Naturschutzgebiet
Auch der Schlosspark Mickeln wurde im Zuge der Gartenschau wieder hergerichtet. Jahrelang hatte das Kleinod in Himmel- geist in einem Dornröschen- schlaf gelegen. Die Sanierung und Umgestaltung verlangte gerade dort ein behutsames Vorgehen, denn die Grünanlage gehört zum Naturschutzgebiet Himmelgeister Rheinbogen. Hauptziele der Neugestaltung waren die Wiedererrichtung unter dem Aspekt der Gartendenkmalspflege und die Anbindung des Parks durch das Wegenetz an das Schloss.
Besitzer des Anwesens und der Ländereien um das Schloss sind seit 1835 Prosper Ludwig Herzog von Arenberg und seine Rechtsnachfolger. Als das alte Schloss nur ein Jahr nach der Inbesitznahme abbrannte, ließ der Herzog das neue Schloss Mickeln nach den Plänen von Josef A. Niehaus als „Sommerresidenz“ errichten. Die Gestaltung des klassizistischen Putzbaus ist Ausdruck des damaligen Zeitgeschmacks und hat die Renaissancevillen des Genueser Stadtadels aus dem 16. Jahrhundert zum Vorbild. Heute dient das Schloss der Heinrich-Heine-Universität als Gästehaus.
Raketenstation als Kulturzentrum
Weiter ging es ins Linksrheinische zur Museumsinsel Hombroich, genauer: zur Raketenstation, der jüngeren Ergänzung des in den achtziger Jahren auf Initiative des Düsseldorfer Immobilienkaufmanns Karl- Heinrich Müller an der Erft geschaffenen Gartenreichs, in dem Kunst und Natur eine spannungsreiche Verbindung eingehen.
Die Raketenstation ist von Neuss-Holzheim aus über die Landstraße 201 zu erreichen. Der fachliche Führer der Tour, Alexander Droste, konnte gerade zu dieser Anlage höchst kompetent Auskunft geben, war doch die landschaftsgärtnerische Umgestaltung dieser alten NATO-Station Thema seiner Diplomarbeit. So erfuhren die Teilnehmer, dass die bestehende, ehemals militärische Architektur (Bunker, Wachtürme, Raketenhallen) nach Aufgabe der militärischen Nutzung 1993 umgewandelt worden ist in Werkstätten und Ateliers, mit dem Ziel, aus der Station einen Arbeits- und Lebensraum für Künstler, Dichter, Komponisten und Wissenschaftler zu schaffen. Inzwischen sind zahlreiche Bauten und Skulpturen namhafter Architekten und Künstler hinzugekommen; sie können anlässlich dort stattfindender Veranstaltungen oder nach Vereinbarung besichtigt werden. Nur wenige Kilometer westlich liegen der Park und die Neuen Gärten von Schloss Dyck. Thorsten Schürmeyer, Mitglied der Tischgemeinschaft, hat als Hotel-Consultant ein gastronomisches Konzept für das gerade in der Renovierung befindliche und einer neuen Nutzung (ein- schließlich eines Hotels) zugedachte Schloss erarbeitet. Jens Spanjer, Geschäftsführer der „Stiftung Schloss Dyck“, der heutigen Eigentümerin von Schloss und Park, führte durch die Renovierungsbaustelle und den zur Gartenschau frisch her-gerichteten Park.
Gartenkunst am Schloss Dyck
Das imposante Wasserschloss Dyck gilt als eines der bedeutendsten Kulturdenkmäler am Niederrhein und kann auf eine fast 1000jährige Geschichte zurückblicken. Seit der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 1094 war Schloss Dyck ununterbrochen im Besitz der Familie zu Salm-Reifferscheidt- Dyck und Zentrum der reichsunmittelbaren Herrschaft Dyck.
Im Dezember 1999 wurde die gemeinnützige Stiftung Schloss Dyck zu einem in seiner Art einzigartigen Zweck gegründet: Als Zentrum für Gartenkunst und Landschaftskultur soll sie Ausstellungen zur Geschichte und Gegenwart der Gartenkunst entwickeln und ein entsprechendes wissenschaftliches Institut auf- bauen. Gemeinsame Stifter sind Marie Christine Gräfin Wolff Metternich, geborene Altgräfin zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, die den Familienbesitz in die Stiftung einbrachte und dem Stiftungsrat vorsitzt, das Land Nordrhein-Westfalen, der Landschaftsverband Rheinland, der Kreis Neuss und die Gemeinde Jüchen.
Das heutige Bau- und Gartendenkmal ist mit seinen drei Vorburgen und Wirtschaftsgebäu- den auf vier Inseln gegründet. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts blieb die barocke Anlage fast unverändert erhalten. Sie ist von einem großen Park im englischen Stil umgeben.
Park mit seltenen Baumarten
Den Landschaftsgarten mit einer bemerkenswerten Sammlung seltener Baumarten ent- warf 1819 der schottische Gartenarchitekt Thomas Blaikie im Auftrag des Fürsten Joseph. Zur Landesgartenschau 2002 wurde das historische Ensemble von Schloss und Park mit einem „Parc Agriculture“, den neuen Gärten auf dem Feld, erweitert. Nach der Idee des Landschafts-architekten Stephan Lenzen sollen die Besucher in einem im Laufe eines Jahres langsam ansteigenden „Meer“ aus Chinaschilf 24 zeitgenössische experimentelle Gärten finden.
Hermann J. Schulte